Warum ängstliche Menschen und ängstliche Pferde nicht zusammenpassen
Das liegt schon an der Rasse an sich, weil bei beiden viel Wüstenpferd dabei ist und alle Wüstenpferde sind viel stressanfälliger, ängstlicher und vorsichtiger, neigen eher zur Flucht und zum Durchgehen wie beispielsweise die sehr ruhigen Nordpferdtypen, zu denen Isländer, Norweger und dergleichen gehören.
Im letzten Vierteljahr haben wir gut gemeint eine nette Familie und vor allen Dingen da die ältere Tochter von zwei Kindern (gibt noch einen kleinen Jungen, der aber auch sehr hyperaktiv ist) bei uns als Reitbeteiligung aufgenommen, weil sie so lieb gefragt haben.
Das war zu Weihnachten 2016.
Wir waren zuerst richtig begeistert von dem Mädchen, das so schön alles nachmachen konnte, was wir ihr gezeigt haben. Es klappte immer auf Anhieb.
Die Mami war sehr hilfsbereit. Wir dachten, wir hätten die ideale Reitbeteiligung für uns endlich gefunden .. denn es gab vorher schon viele, die mehr oder weniger alle in einer Enttäuschung endeten oder einfach nach einer Weile im Sande verlaufen sind, weil die Leute dann nicht wiedergekommen sind. Es gibt ja so viele typische Sonntagsreiter, die schon nach kurzer Zeit die Lust verlieren, wenn klar wird, Pferde machen viel Arbeit und sind auch im Winter bei Regen, Schnee und Frost oder 35 Grad im Schatten da.
Aber nach ungefähr vier Wochen stellten wir fest, dass wir mit Chiwa und Prima massive Probleme bekommen haben, mit Prima waren die zu Anfang offensichtlicher als mit Chiwa, aber auch mit Chiwa zeigten sie sich dann später doch so, dass es sehr auffällig war.
Wir haben dann angefangen, nach Gründen zu suchen. Unsere beiden ja Problempferde haben körpersprachlich da nicht mehr gejammert, sondern bereits geschrien, aber für uns waren diese Hilfeschreie zwar zu sehen, aber die Ursache noch nicht erkennbar.
Wir sind unter anderem nicht darauf gekommen, dass Menschen, die etwas, das man ihnen zeigt, auf Anhieb gut nachmachen können, später nicht in der Lage sind, das auch im Langzeitgedächtnis so abzuspeichern, dass es auch dauerhaft da bleibt.
Praktisch heißt das, Jürgen und ich haben auf der Weide unsere Arbeit gemacht, uns drauf verlassen, unsere Reitbeteiligungen wissen ja, worum es geht, die Tochter kann es ihrer Mutter auch erklären, da wir davon ausgingen, sie hat es begriffen .. aber das war nicht der Fall.
Zunächst habe ich angefangen, sie einfach nur zu beobachten, ohne gleich zu sagen, so nicht, sondern anders und dabei begriffen, obwohl wir wissen, unsere Pferde sind nicht die ersten, mit denen sie umgehen, es fehlen bei allen sämtliche Grundlagen.
Wir haben uns gesagt, wir haben auch viel lernen müssen, als wir angefangen haben mit eigenen Pferden, aber binnen Kürze bei auch nur einfachen Übungen gemerkt, selbst die allerersten ja wichtigen Details werden nichtmal von einem Tag auf den anderen behalten, man fängt grundsätzlich wieder von vorn an.
Wir haben erfahren, es gibt da Probleme mit dem Langzeitgedächtnis, gesehen, es gibt da massive Probleme mit der räumlichen Vorstellungskraft.
Sehr hilflos habe ich deshalb meine Tochter Esther um Hilfe gebeten, die immerhin mal 7 Jahre in ihre Ausbildung als Reittherapeutin für Menschen mit psychischen Störungen investiert und auch jahrelang mit Menschen mit psychischen Störungen Erfahrung im therapeutischen Reiten auf ihren gut ausgebildeten und nervenstarken Therapiepferden gemacht hat.
Meine Tochter hat heute einen anderen Job, arbeitet wieder als Erzieherin, hat nur noch eigene private, keine Therapiepferde mehr.
Sie hat mir gesagt, wir tun keinem einen Gefallen, auch nicht diesem Mädchen oder seiner Familie, wenn wir zulassen, dass sie unsere beiden nicht als Therapiepferde geeigneten Problempferde, die selbst psychische Probleme haben, kaputt machen.
Sie zerbrechen beide innerlich daran, Chiwa könnte schwer krank werden und Prima mit Pech irgendwann so fertig mit den Nerven sein, dass sie zum Angriff übergeht und selbst wir dann damit überfordert sein können. Weiterzumachen könnte unsere beiden Pferde das Leben kosten.
Selbst Esthers Therapiepferde haben nicht jeden Menschen ausgehalten, der bei Esther zum Therapeutischen Reiten war. Sie hat auch manche wegschicken müssen, weil selbst ihre sehr nervenstarken Therapiepferde sonst daran kaputt gegangen wären. Besonders oft war das der Fall, wenn es nicht möglich war, den Müttern begreiflich zu machen, was sie selbst dazu beitragen könnten, ihren Kindern zu helfen.
Jürgen will versuchen, dass persönlich zu erklären. Es tut uns beiden sehr leid, aber es geht nicht anders.
Nun habe ich früher mal so Fächer wie Neurologie in der Schule und auch im Studium gehabt und erklärend dazu auch die Bioeiweißsynthese, die für das Lernen sehr wichtig ist, im Ernährungslehreunterricht.
Ich habe deshalb eine Vorstellung davon, warum Menschen, die innerlich komplett verängstigt sind, unfähig sind, etwas zu lernen ... und genauso, warum Pferde, die Schlimmes erlebt haben, sich ganz sicher nicht dazu eignen, dass gerade solche Menschen mit ihnen umgehen.
Diese Pferde haben nämlich genau das gleiche Problem wie diese Menschen. Es kann nicht funktionieren. Und unsere Pferde sind solche Pferde .. und unsere Reitbeteiligung ist so ein Kind.
Grob gesagt heißt das, dass Angst Adrenalinausschüttung bewirkt und Adrenalinausschüttung einen ganzen Rattenschwanz von Hormonwirkungen und Botenstoffen, die die Bioeiweißsynthese verhindern.
Die Bioeiweißsynthese ist aber eine Voraussetzung dafür, dass das Gelernte auch im Langzeitgedächtnis abgesprichert wird und wieder angerufen werden kann.
Deshalb hat dieses Kind grundsätzlich alles sofort wieder vergessen, obwohl sie es gut nachmachen konnte, was man ihr gezeigt hat.
Sie wird schon zu oft erlebt haben, dass sie die Pferde nicht mehr hat reiten dürfen, mit denen das vor unseren auch nicht geklappt hat. Sie hat viel zu viel Angst.
Leider wird diese Angst sich nun wieder bestätigen, weil wir sie wegschicken müssen.
Wir können ihrer Mama nur einen Rat geben, der ihrer Tochter helfen könnte, nämlich eine gut ausgebildete Reit-Therapeutin zu finden, die auch ein besonders nervenstarkes Pferd hat, mit dem das Kind arbeiten könnte. Die Krankenkassen bezahlen sowas sehr selten, was ich von meiner Tochter weiß, die nicht grundlos neben dem therapeutischen Reiten auch Westernreit-Unterricht oder Voltigieren angeboten hat und genauso nicht grundlos wieder als Erzieherin arbeitet, weil sie so einfach mit weniger Stress viel besser verdient.
Aber versuchen kann man das, ob es die Krankenkasse übernimmt. In schlimmen Fällen und wenn gut rübergebracht wird, dass so eine Therapie notwendig ist, dann machen sie es schon manchmal.
Aber so leid es uns tut, wir können das nicht machen, weil wir weder die Ausbildung noch die passenden Pferde dafür haben.
Einige Links zum Thema für alle, die mehr darüber lernen möchten.
Der letzte Link ist am besten verständlich .. Vorraussetzung, um das verstehen zu können, sind aber sicherlich entsprechende Leistungskurse in Neurologie und eventuell auch Ernährungslehre, was es in einem Neurologiekurs wesentlich einfacher macht, sich das vorstellen zu können, was da passiert.
Ich erkläre das oben ganz einfach für alle Leute, die so eine Vorbildung nicht haben. Die Links sind als Quellenangaben dazu da, falls jemand der Ansicht sein sollte, dass ich ohne Vorwissen einfach nur dahin labern sollte. Das mache ich nicht. Ich hatte sowohl in der Schule im Biologie-Leistungskurs ein Semester Neurologie, 3 volle Jahre Ernährungslehre und da natürlich auch die Vorgänge bei Stress oder aber wie die Bioeiweißsynthese funktioniuert und später im Psychologie-Studium auch nochmal ein Semester Neurologie.
LG
Renate
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