Sonntag, 9. Juli 2017

Der Itancan - ein bisschen über indianisches Horsemanship

- Denn unsere Herde hat jetzt ja auch einen Itancan bekommen -

 Ich habe seit Jahren ein Lieblingsbuch über Horsemanship, und zwar das von GaWaNi Pony Boy und Gabrielle Boiselle mit dem Titel "Horse Follow Closely über das Prinzip des indianischen Pferdetrainings.
Tja .. und nun haben wir einen Wallach dazu in unsere bisherige kleine Stutenherde bekommen, der sogar fast genauso aussieht wie Kola, das ältere Pferd von GaWaNi Pony Boy, über den er in diesem Buch so viel erzählt. Mihunka, der schwarzweiße Schecke, war ja erst drei Jahre alt, als dieses Buch geschrieben wurde.

 Ich hatte ja mal ein Hufrehe-Forum und da die Aufgabe, als Admina dieses Forums, alles an Technikzeugs zu erledigen und auch darauf zu achten, dass da bei den Diskussionen rund ums Thema Hufrehe und Pferde alles vernünftig ablief.

Ich nannte mich da Intancana und es gibt mich unter diesem Nick auch noch an anderen Stellen im Internet. Ich kam darauf, weil ich als Administratorin ja sozusagen die Chefin von diesem Hufrehe-Forum war und es ein Pferdeforum war.
 Das kam so, weil GaWaNi Pony Boy in seinem Buch ja sagt, man muss es schaffen, für seine Pferde der Itancan zu sein, denn sonst folgen einem diese Tiere nicht. Und der Itancan hat immer nur das Beste für die Herde im Sinn, was die Pferde wissen und ihm deshalb eben folgen ohne nachzufragen.

 Dass Pferde ihrem Itancan folgen, ist in einer Herde, die aus Flucht- oder Beutetieren besteht, die in der freien Natur auch gefressen werden können, ist elementar wichtig, denn diese Tiere müssen ähnlich wie ein Vogelschwarm schnell alle gemeinsam reagieren und hätten gar keine Zeit zu hinterfragen, was der Itancan vorschreibt, ohne in freier Wildbahn in Lebensgefahr zu geraten.
In seinem Buch beschreibt GaWaNi Pony Boy in dem Kapitel Itancan und Waunca genau genommen die Aufgabe des Leithengstes einer Pferdeherde.

 Er erklärt das anhand des alten Indianerspruchs: "Du kannst ein Pferd zum Wasser führen, aber Du kannst es nicht zum Trinken bringen."

Die Indianer, die in Amerika noch nach alter Tradition zusammenleben, haben viele dieser alten weisen Sprüche, die in diesem schönen Buch auch an vielen Stellen genauer erklärt werden. Denn jeder dieser Sprüche hat eine tiefe Bedeutung.

In freier Wildbahn ist es nie ungefährlich, wenn eine Pferdeherde an einem Wasserloch etwas trinken geht.
Der Leithengst geht vor, schaut nach möglichen Gefahren und trinkt zuerst nur einen kleinen Schluck.
Dann zieht er sich zurück und die Herde geht zuerst vor ihm etwas trinken, während er Wache hält. Erst wenn alle Pferde der Herde getrunken haben, löscht auch der Leithengst seinen Durst.

 An einer anderen Stelle dieses Buches erklärt GaWaNi Pony Boy anhand eines Erlebnisses mit seinem Pferd Kola. Bei einem Ausritt war einer jungen Frau ihr Mustang durchgegangen, weil dem bei einer ungeschickten Bewegung das Gebiss gebrochen war. GaWaNi Pony Boy sprang ohne viel zu überlegen auf Kola und hinterher, konnte die Frau und ihren Mustang schließlich auch einholen. Dabei überwanden sie alle so abenteuerliche Hindernisse wie Durchritte durch eine Garage mit zwei geteilten oben offenen Türen, Zäunen, Stacheldraht  und mehr.

 GaWaNi Pony Boy schreibt, Kola liebt normalerweise eine gute Jagd, weil ihm das Spaß macht, aber so unüberlegt ist er vorher dennoch noch nie auf ihm geritten, denn er hatte gar keine Zeit sich zu überlegen, was für Hilfen er Kola gibt. Er hatte einfach nur die Frau und diesen durchgehenden Mustang im Blick, mehr nicht. Kola hat das automatisch erkannt und hinterher.

Und genau das ist Focussing, das im Prinzip genauso funktioniert wie der gemeinsame Flug eines Vogelschwarms, wo die Gemeinschaft nur den Anführer im Blick hat.
 GaWaNi Pony Boy schreibt da, dass die Cheyenne ihm schon zwei Jahre vorher versucht haben zu erklären, was Focussing ist, aber da hätte er es noch nicht verstanden, nach diesem wilden Ritt, um diese Frau und ihren Mustang zu retten, dann aber plötzlich ja.

Was in diesem Buch nun allerdings nicht beschrieben wird ist folgendes: Eine Pferdeherde in freier Wildbahn kann sowohl aus Leitstute, Leithengst und den übrigen Stuten und Jungtieren bestehen oder aber eine sogenannte Junggesellenherde aus Junghengsten ohne Stutenherde sein, die sich auch zusammenfingen, weil sie so alle zusammen mehr Schutz vor Räubern haben.

 Ich kann Euch jetzt nicht sagen, wie genau die Rangordnung in so einer reinen Junghengstherde aussieht oder aber bei uns in einer reinen Wallachherde oder noch anderen denkbaren Konstellationen von Pferdeherden, die ja bei uns normalerweise der Mensch zusammenfügt.

Auch hatte ich nie einen Hengst mit in einer unserer Herden, aber schon eine relativ natürliche Zusammenstellung aus zwei Stuten und einem Wallach.

 Bei uns war immer Chiwa als Freundin der Leitstute das, was GaWaNi Pony Boy als Waunca beschreibt .. also die zu schützende Ministutenherde.

In einer richten Herde gibt es dann immer eine Aufgabenteilung zwischen Leitstute und Leithengst. Bei uns war Leitstute früher Nixe, später Prima. Die Aufgabe des Leithengstes hat in beiden Konstellationen unser Wallach Reno früher übernommen und sich auch genauso verhalten wie jetzt unser neuer Wallach Thunder.

 Ich kannte Renos Züchterin, die uns ja auch auch Nixe und Prima verkauft hat, sehr gut. Ich weiß von ihr, dass sie die Jungtiere immer lange in einer großen Herde hat mitlaufen lassen, damit sie lernen, sich zu sozialisieren.

Reno war deshalb ein gut sozialisiertes Männchen.

Ich gehe bei Thunder davon aus, dass er auch ein gut sozialisiertes Männchen ist, wenn ich ihn so beobachte.
 Er kommt ja aus Polen und ich weiß daher nicht genau, wie er da aufgewachsen ist, aber dass er als Wielkopolski aus einem großen Zuchtgestüt kommt. Diese Pferde werden in Polen an mehreren Orten normalerweise in sehr großen Herden gezüchtet.

Ich vermute, diese Züchter haben das bei Thunder in seiner Prägungsphase sehr gut gemacht und er hat da alles gelernt, was er wissen muss, um so auch eine Aufgabe als Leitwallach (Hengst ist er ja nicht mehr) erfüllen kann.

 Weil GaWaNi Pony Boy uns die Beschreibung, was Intancan und Itancana unterscheidet, konkret erklärt in seinem Buch vorenthält, mache ich da mal weiter.

Eigentlich hat er nämlich beides durchaus erklärt.

Bei dem Text über das Trinken am Wasserloch hat er sehr gut beschrieben, wie sich der Leithengst verhält.

 In seinem Text über das Focussing allerdings beschreibt er, warum Pferde eigentlich nicht dem Leithengst, sondern der Leitstute folgen, wenn es zum Beispiel um eine schnelle Flucht geht.

Die Leitstute führt nämlich die Herde an, der Leithengst wiederum beschützt seine Herde. Deshalb läuft bei einer Fluchtsituation auch die Leitstute vorn, der Leithengst aber bleibt hinten, treibt die anderen weiter hinten einmal an und stellt sich gegebenenfalls auch unter Einsatz seines eigenen Lebens dem Angreifer in den Weg.

 Ergänzend zu meine eigenen Erklärungen suche ich Euch jetzt noch ein paar Texte zur Aufgabenteilung Leitstute und Leithengst (bzw. in unseren Herden ja meistens ein Wallach) raus:

http://www.tierfreund.de/das-pferd-als-herdentier/

Daraus zitiert:

Oft gibt es eine klare Arbeitsteilung zwischen Leithengst und Leitstute. Die Leitstute führt, bestimmt die Richtung und was wann gemacht wird. Der Leithengst schützt bei Gefahr die Herde und sorgt vor allem dafür, dass kein anderer Hengst seine Position einnimmt. So übernimmt auch bei einer Flucht meist die Leitstute die Führung, während der Hengst die Nachhut bildet, die anderen Pferde antreibt und aufpasst, dass niemand verloren geht. Er ist auch derjenige, der sich im Notfall dem Kampf mit einem Angreifer stellen muss.

 http://www.planet-wissen.de/natur/haustiere/pferde/pwiewildepferde100.html

Daraus:

 Bei wild lebenden Herden gibt es fast immer einen Leithengst und eine Leitstute. Die Aufgabe des Hengstes ist es, die Herde vor Angreifern zu schützen. Dazu hat er einen dicken Speckkamm auf dem Hals und oft auch Hakenzähne, die schmerzhafte Verletzungen herbeiführen können. 

 Keine Frage: Hengste sind die wehrhaftesten Tiere der Gruppe und machen den gefährlichsten Job. Deswegen haben sie selten die Chance alt und weise zu werden. Der eigentliche Chef einer Herde ist deshalb meist eine erfahrene Stute, sie bestimmt den Tagesablauf und weist den Weg zu den besten Futterplätzen. Der Hengst ist ihr Schutzschild, sie selbst ist zu wichtig, um sich solchen Gefahren auszusetzen.
 http://pias-fohlen.de/allgemein/die-regeln-in-einer-pferdeherde-die-leitstute/

Daraus wieder:

 Wenn Gefahr droht rennen Pferde nicht einfach im wilden Chaos los, sondern sie laufen relativ geordnet hintereinander her. Ganz vorne die Leitstute und als letztes das rangnierdrigste Pferd. Wobei aber der Hengst der Herde ganz hinten läuft und die Herde von hinten beschützt. Wie bereits gesagt, haben Pferde auch heute den Fluchtinstinkt in sich, obwohl sie nicht mehr vor Bären oder ähnlichen wilden Raubtieren flüchten müssen. Um beste Überlebenschancen zu haben, hat die Natur die Pferde mit diesem Verhalten ausgerüstet.

 http://www.meinpferdetraum.de/meinPferdetraum/seite301.php

Daraus:

 Leider musste ich feststellen, dass in vielen Ställen unter unseren Hauspferden keine natürliche Herdenbeziehung stattfindet. Auch in guten Offenstallanlagen sind oft mehrere Wallache mit Stuten in einer gemeinsamen Herde (keine natürliche Herdenstruktur), die Pferde werden einzeln oder in Gruppen für einige Zeit vom Rest der Herde getrennt (wenn der Mensch sein Pferd zum Reiten o.ä. holt) und im Allgemeinen findet kein wirklich natürliches Verhalten statt (ist ja auch nicht notwendig, da die Pferde vom Menschen alles bekommen, was sie brauchen – somit wird der tägliche Überlebenskampf überflüssig). Ich beobachtete des Öfteren, dass sich in solchen zusammengesetzten Herden ein oder mehrere Pferde als „Boss“ aufspielen und ihre Interessen mit Gewalt durchsetzen oder ihre Langeweile bzw. ihren Frust belästigend und gewalttätig an den Artgenossen auslassen. In den meisten Hauspferdeherden beobachtete ich strenge Hierarchien, die Ranghöheren standen an den besten Plätzen, die Rangniederen mussten nehmen, was übrig blieb. Diese Hierarchie wurde mit Drohgebärden unterschiedlichen Ausmaßes behauptet, zum Teil bis hin zu körperlichen Angriffen und Auseinandersetzungen.
Das soll kein Vorwurf zur Pferdehaltung sein. Tierhaltung ist immer mit Einschränkungen verbunden. Es ist meistens nicht anders möglich, wenn der Mensch das Tier „nutzen“ möchte. Kompromisse müssen bei jeder Tierhaltung eingegangen werden und die Tiere sind wohl auch ganz froh darüber, dass sie keinen Fressfeinden ausgesetzt sind, sich nicht mühsam ihr Futter zusammensuchen müssen und medizinisch betreut werden, wenn es notwendig ist.

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 Zurück zum natürlichen ursprünglichen Herdenverhalten: Ich habe viele Bücher und Studien über Pferde in freier Wildbahn (ja - die gibt es noch, bzw. wieder) und Herden in großen Reservaten gelesen, außerdem habe ich selbst oft die Möglichkeit genutzt Naturpferdherden zu beobachten und zu fotografieren. 
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  Die Leitstute verkörpert dabei das Symbol der verantwortungsvollen Mutter, sie stellt sich mit all ihrer Kraft und Weisheit in den Dienst der Herde. Unermüdlich wacht sie über ihre „Familie“ und ist auf der Suche nach den besten Futterplätzen für ihre Herde. Außerdem sorgt die Leitstute für Frieden in der Gemeinschaft und schlichtet Unruhe. Für die Leitstute bedeutet „Führen“ vor allem der Herdengemeinschaft dienen und verantwortungsvoll verpflichtet zu sein. Besonders oft beobachtete ich, dass die Leitstute von allen anderen Herdenmitgliedern sehr geachtet und geehrt wird: der Leitstute machen alle Herdenmitglieder gerne Platz, folgen willig ihren Anweisungen und lassen sich vertrauensvoll von ihr führen. Auch sah ich oft, dass sämtliche Herdenmitglieder zur Leitstute kamen zur gegenseitigen Fellpflege. Die Leitstute ist also durchaus nicht unnahbar, sie sucht den Kontakt zu ihren Herdenmitgliedern und zwar mit dem gleichen Respekt, der ihr entgegen gebracht wird. Die Leitstute hat es nicht nötig, zu drohen oder aggressiv zu werden, die Herdenmitglieder respektieren sie auf Grund ihrer inneren Stärke und ihrer immensen Ausstrahlung. Die einzige „Kampfeshandlung“, die mir aufgefallen ist: die Stuten verteidigen - notfalls mit Bissen und Tritten - ihre Fohlen gegen eine Annäherung des Leithengstes. 
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 Beim Leithengst spielt die körperliche Ausstrahlung und Kraft schon eher eine Rolle, da der Hengst seine Herde gegen andere Hengste oder Angreifer verteidigen muss und außerdem durch sein Erbgut besonders widerstandsfähige, kräftige Nachkommen zeugen soll. (In der Wildbiologie wird nur das Vertreiben eines männlichen Konkurrenten und damit die Möglichkeit zur Fortpflanzung also die Weitergabe der Gene als „dominante Handlung“ beschrieben. In Wildbiologie, Verhaltenspsychologie und Ethologie wird für Equiden der Begriff Dominanz sonst fast nicht benutzt.) 
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 Selbstverständlich muss auch der Leithengst über innere Qualitäten, wie Selbstsicherheit, Mut, Durchsetzungsvermögen, Entschlossenheit, Weisheit, Beständigkeit und Besonnenheit verfügen, ansonsten würde er von den Stuten der Herde nicht als Leithengst anerkannt. Bei meinen Beobachtungen stellte ich fest, dass der Leithengst oft etwas abseits der Herde steht und von außen die Familie bewacht. Keinesfalls darf man sich unter einem Leithengst einen bösartigen Schläger vorstellen - der Leithengst ist mit Sicherheit eine imposante Erscheinung und auch sofort als solcher zu erkennen, jedoch hält er sich hauptsächlich im Hintergrund und bewacht in ruhiger, aufmerksamer Position seine Herde. Seine Aufgabe ist es, die Herde zusammen zu halten, damit kein Mitglied der Herde verloren geht. Wird die Herde ernsthaft angegriffen, so ist der Leithengst bereit, die Herde mit aller Kraft und Stärke zu verteidigen – hier kann man sehen, was für mutige Kämpfer Pferde sind, wenn es gilt sich selbst und Artgenossen zu verteidigen. Niemals jedoch würde ein Hengst grundlos angreifen.

 Der letzte Text war ziemlich lang und ausführlich.

Damit will ich es jetzt mal gut sein lassen.

Fazit:

Mit der Zusammenstellung von zwei Stuten und einem Wallach versuchen wir, bei uns eine Pferdeherde zu halten, die so natürlich wie in Gefangenschaft möglich ist.

 Das habe ich früher so geplant, nachdem ich vorher viel darüber gelesen habe, wie man Pferde am besten zusammen halten könnte .. und es funktioniert mit Reno als Wallach gut .. und jetzt mit Thunder scheint das auch super zu klappen.

Bei uns sind also Prima die Itancana (Leitstute), Thunder der Itancan (Leitwallach) und Chiwa ist Waunca (die Herde).

 Jürgen und ich glaube, die drei sind so sehr zufrieden.

Ich kannte dieses Verhalten ja schon von früher. Jürgen hat es zum ersten Mal jetzt miterlebt.

Und wie begeistert er bei mir den Tag ankam, als er zum ersten Mal zugesehen hat, wie Thunder seine Stuten vor den Nachbarschafen und dem "gefährlichen" Radfahrer beschützt hat, da war mein Mann richtig gerührt ob so viel Fürsorge von unserem neuen Wallach.

 So . nun wisst Ihr ein bisschen was über indianisches Pferdetraining, über den Begriff des Itancan, über das natürliche Verhalten in einer Wildpferdeherde und auch über meine Beweggründe, warum ich unsere Herde so zusammengestellt habe, wie sie jetzt aussieht.

Das schnmale Foto ganz links ist eins von gestern von Kalli, was er mit dem Handy aufgenommen hat, als die drei so schön nah beieinander standen.

Die anderen sind alle von vorher, die meisten davon weiter unten vom 7. Juli 17.

LG
Renate

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